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Politik

Wolfgang Bosbach im Gespräch:
"
Beim Thema Waffenlieferungen an die Ukraine bin ich förmlich hin- und hergerissen"

Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach ist unser erster Gesprächspartner in der Rubrik Politik. Wolfgang Bosbach wurde 1952 in Bergisch Gladbach geboren und ist seit 1972 CDU-Mitglied und von 1994 bis 2017 Mitglied des Bundestages. Von 2000 bis 2009 war er stellvertretender Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des Innenausschusses des Bundestags. Im Herbst 2017 hat sich Wolfgang Bosbach aus der aktiven Politik zurückgezogen, ist seit dem aber weiterhin als Jurist und Autor sowie als Redner auf zahlreichen Veranstaltungen aktiv.


i24: Herr Bosbach, Sie waren von 1994 bis 2017 Mitglied des Bundestages für die CDU und haben in dieser Zeit einige wichtige Gremien, wie den Innenausschuss, geleitet. Wie sehen Sie die aktuelle Politik? Macht die Bundesregierung aktuell in der Innen- und Außenpolitik einen guten Job und wie sehen Sie die Arbeit Ihrer ehemaligen Parteikollegen der CDU in der Opposition?

Wolfgang Bosbach: Zur Vermeidung möglicher Mißverständnisse: Wenn eine Regierung unter der Verantwortung von CDU und CSU gebildet worden wäre, hätte auch diese mit den Problemen zu kämpfen, die aktuell die Ampelkoalition in Atem halten. Die eine oder andere Entscheidung wäre sicher anders getroffen worden, aber die Probleme wären die gleichen. Als Bürger dieses Landes wünsche ich mir eine gute Regierung, der Wunsch wurde mir aber bislang nicht erfüllt. Nein, ich fühle mich nicht gut regiert und bin erstaunt, mit welcher Offenheit die Koalitionäre Tag für Tag öffentlich demonstrieren, worüber sie streiten. Vor allem aber bleibt diese Regierung weit hinter ihren vollmundigen Ankündigungen zurück. Nur ein einziges Beispiel: 400.000 neue Wohnungen Jahr für Jahr wurden versprochen – noch nicht einmal 300.000 wurden bezugsfertig. Die Union hat nach der Wahl 2021 das Tal der Tränen durchschritten und sich als konstruktive Opposition erwiesen. Genau der richtige Weg.


i24: Die CDU hat bei den letzten Wahlen, unter anderem zum Abgeordnetenhaus in Berlin, gute Ergebnisse erzielt. Sind dies schon erfolgversprechende Signale für die nächste Bundestagswahl im Herbst 2025? Ist die Partei also auf dem richtigen Weg und wer könnte Ihrer Meinung nach der Kandidat für das Kanzleramt werden?

Wolfgang Bosbach: Bis zum Herbst 2025 ist es noch ein weiter Weg. Alleine in diesem Jahr haben wir ja vier Landtagswahlen. Angenommen, CDU und CSU gewinnen die nächste Bundestagswahl mit großem Abstand, aber für die absolute Mehrheit wird es vermutlich nicht reichen. Dann werden wir permanent die Frage hören: Mit wem will die Union regieren? Bitte nicht nur mit diesem Thema beschäftigen. Je stärker wir werden, desto größer sind die Chancen auf einen Wechsel.


i24: Im Jahr 2021 hatten Sie einen gemeinsamen Wahlkampf-Auftritt mit Hans-Georg Maaßen, dem Ex-Verfassungsschutzpräsident. Nach zahlreichen strittigen und stark kritisierten Äußerungen von Hans-Georg Maaßen, hat die CDU im Februar 2023 ein Parteiausschußverfahren gegen ihn eingeleitet. Wie sehen Sie die Positionen von Hans-Georg Maaßen und den Vorgang in der Partei?

Wolfgang Bosbach: Die Positionen von Hans-Georg Maaßen sehe ich mit nicht geringen Erstaunen und wenn selbst der eigene Landesverband von Herrn Maaßen ihn nicht mehr in den eigenen Reihen haben möchte, dann zeigt das, dass der CDU Bundesvorstand gar nicht anders entscheiden konnte.


i24: Stichwort "Krieg in der Ukraine": In diesen Tagen jährt sich der Kriesbeginn zum ersten Mal. Wie stehen Sie zu den Waffenlieferungen der westlichen Staaten und wodurch könnte aus Ihrer Sicht ein mögliches Kriegsende eintreten? Wird Wladimir Putin erst Ruhe geben, wenn er seinen gewünschten Teil der Ukraine besetzt hat?

Wolfgang Bosbach: Beim Thema Waffenlieferungen an die Ukraine bin ich förmlich hin- und hergerissen und frage mich immer: Verkürzen wir dadurch den Krieg oder verlängern wir das Leiden? Dennoch halte ich die Hilfe für richtig, denn drei Dinge stehen fest:
1. Der Krieg ist in sofort zu Ende, wenn Putin die Ukraine nicht mehr angreift.
2. Die Ukraine ist zu Ende, wenn sie sich nicht mehr verteidigen kann.
3. Solange Putin glaubt, dass er auf dem Schlachtfeld das erreichen kann, was er erreichen will, wird er nicht verhandeln.


i24: Können Sie sich vorstellen, dass die westlichen Staaten irgendwann kriegsmüde werden könnten und Ihre militärische Unterstützung für die Ukraine einstellen?

Wolfgang Bosbach:Ich halte das für sehr unwahrscheinlich und möchte mir das auch gar nicht vorstellen, denn ohne die Hilfe des Westens wäre es nur eine Frage der Zeit, bis die Ukraine zur Beute Putins geworden ist. Und wenn Putin seine Kriegsziele erreicht, wäre sein Fazit: " Krieg zu führen, lohnt sich am Ende doch ". Das wäre für die Zukunft Europas fatal.

"Die Reichsbürgerbewegung ist keine Gruppierung harmloser, verpeilter Sonderlinge, sondern eine große Herausforderung für den Staat, nicht nur für die Sicherheitsbehörden."


i24: Sie haben im letzten Jahr das Buch "Wer glaubt uns noch?" veröffentlicht, mit dem Zusatz "Warum Politik an Vertrauen verliert und was wir dagegen tun können". Hört sich danach an, als wenn Sie das Buch in erster Linie für aktive Politiker geschrieben haben?

Wolfgang Bosbach: Tatsächlich? Aus unzähligen Begegnungen und Gesprächen weiß ich, das dass sehr viele ganz anders sehen. Geschrieben habe ich es für alle, die sich für Politik, aber auch für einen Blick hinter die Kulissen des politischen Alltags, interessieren. Aber wenn auch aktive Politikerinnen und Politiker zu dieser Lektüre greifen – umso besser!


i24: Wie könnte sich das Vertrauen in die Politik verändern, wenn der überwiegende Teil der Politiker in Bund, Ländern und Kommunen Ihr Buch lesen würde und nach Ihren Ansätzen handeln würden?

Wolfgang Bosbach: Es ist in der Politik nicht anders, als im Privatleben auch. Man kann in ganz kurzer Zeit Vertrauen verlieren und dann dauert es sehr lange, bis dieses Vertrauen wieder hergestellt ist. Mit meinem Buch möchte ich ohne erhobenen Zeigefinger Denkanstöße geben, warum die Politik stetig an Vertrauen verloren hat und wie man diesen Trend wieder umkehren könnte. Bei der aktuellen politischen Lage kommt das Buch wohl genau zur richtigen Zeit.


i24: Da Sie sich viele Jahre im Innenausschuss des Bundestages umfangreich mit der Sicherheit in Deutschland befasst haben, wie sehen Sie die aktuellen Gefahren durch die Reichsbürgerbewegung. Ist es für Sie nur ein kleiner Kreis von Staatsgegnern oder eine ernstzunehmende Gruppierung für den Staat?

Wolfgang Bosbach: Die Reichsbürgerbewegung ist keine Gruppierung harmloser, verpeilter Sonderlinge, sondern eine große Herausforderung für den Staat, nicht nur für die Sicherheitsbehörden.

i24: Wie sollten die Sicherheitsbehörden und auch der Staat sich Ihrer Meinung nach, dieser Herausforderung annehmen?

Wolfgang Bosbach: Genau so, wie die zuständigen Behörden zur Zeit agieren: Lage ständig analysieren und daraus die zur Gefahrenabwehr notwendigen Konsequenzen ziehen. Konkretes Beispiel: Dort, wo dies rechtlich möglich ist, waffenrechtliche Erlaubnisse entziehen und Neuerteilungen verhindern. Bewaffnete Reichsbürger sind für jede Sicherheitsbehörde ein Albtraum.


i24: Vielen Dank Herr Bosbach für das Gespräch.


Das Buch "Wer glaubt uns noch?" von Wolfgang Bosbach ist im September 2022 im Econ Verlag erschienen.

Interview 24 / März 2023

Wolfgang Bosbach - CDU Politiker im Gespräch mit interview24
© Manfred Esser /
CDU Rheinisch-Bergischer Kreis

Wolfgang Bosbach: Wer glaubt uns noch - Sachbuch Econ Verlag
© Econ Verlag


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