Der Riesling hat eher vom Klimawandel profitiert
i24: Herr Baum, Sie haben auf der ProWein 2024 die "Pfälzer Antwort auf den Klimawandel" vorgestellt. Wie ist diese Antwort und welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht für den Weinanbau notwenig?
Konstantin Baum: Es gibt eine Vielzahl von Maßnahmen, die angewendet werden können. Eine alleine ist sicherlich nicht das non plus ultra, sondern es geht eher darum, die Möglichkeiten zu kombinieren, welche man als Winzer hat und da gibt es relativ viele. In der Verkostung auf der ProWein habe ich zum einen die Nutzung von PIWI-Rebsorten vorgeschlagen, also pilzwiderstandsfähige Rebsorten, die gegen Pilzkrankheiten resistent sind. Eine andere Methode ist die Nutzung von kühleren Lagen, die vormals ein bisschen zu kühl waren und jetzt genau die richtigen Temperaturen aufweisen.
Eine weitere Maßnahme, die in der Pfalz auf jeden Fall viel Bedeutung hat, ist das Nutzen von anderen Rebsorten. Rebsorten wie Chardonnay oder auch Syrah. In der Verkostung auf der ProWein hatten wir auch einen Dolcetto, Cabernet Sauvignon, Merlot und so weiter. Es gibt also viele Möglichkeiten, wie man auch in wärmeren Regionen der Pfalz immer noch wunderbare Weine machen kann.
i24: Werden Winzer gezwungen sein, aufgrund von klimatischen Einflüssen wie Starkregen, Hitzeperioden oder spätem Frost im Frühling, neue Rebsorten in deutschen Weinanbaugebieten zu kultivieren und welche Rebsorten bieten sich hierfür an?
Konstantin Baum: Gezwungen sein, werden sie mit Sicherheit nicht. Ich glaube, die klassischen Rebsorten werden in der Pfalz weiterhin angebaut werden. Starkregen, da gibt es eigentlich auch keine Sorte, die damit besser oder schlechter klar kommt oder minimal vielleicht bei Hitzeperioden und spätem Frost.
Zur Hitze ist es eher die Frage, wie die Unterlagsrebe ausgewählt wird. Es gibt bestimmte Unterlagsreben, auf welche die Vitis vinifera Rebe dann aufgepflanzt ist, also sprich: der Riesling wächst nicht wurzelecht, sondern er wird auf eine andere Rebe aufgepropft, die mit der Reblaus klarkommt und da gibt es Unterlagsreben, die besser mit Hitze klarkommen. Gegen spätem Frost kann man Rebsorten auswählen, welche später austreiben und somit nicht so frostanfällig im Frühjahr sind.
Es ist auch immer eine Frage, wie man mit dem Boden arbeitet, um sich bei Starkregen vor Erosion zu schützen. Oder ob man eine Bewässerungsanlage in den Weinbergen installiert, wo Hitzeprobleme existieren oder wo es Trockenstress gibt und sich auch auf den späten Frost einstellt, indem man zum Beispiel Windturbinen in den Weinbergen installiert oder sich kleine Kerzen bzw. kleine Tonnen, die im Burgund zum Beispiel angewendet werden, um die Reben rechtzeitig schützen zu können.
i24: Ist der Deutschen liebste Rebsorte, der Rieling, auch in Punkto Klimawandel robust gegen klimatische Veränderungen oder müssen sich die Deutschen irgendwann von "Ihrem" Riesling verabschieden?
Konstantin Baum: Irgendwann ist natürlich relativ, das kann schon irgendwann der Fall sein. Aber aktuell sieht es nicht so aus, als würde das in den nächsten Jahrzehnten passieren. Der Riesling hat eher von dem Klimawandel profitiert, so wie halt auch die meisten anderen deutschen Weine. Man hat heute, glaube ich, ein höheres Niveau, wenn es um den Riesling geht, als in allen Jahrzehnten davor.
Ich glaube, der Riesling kann mit dem Klimawandel ziemlich gut umgehen und man sieht auch, dass es Riesling- Produktion in wärmeren Anbaugebieten gibt, so wie im Elsass, das ja auch sehr trocken und warm ist. Wärmer als zum Beispiel die Pfalz. Von daher sehe ich das nicht als Grund dafür, dass es keinen Riesling mehr in naher Zukunft gibt.
Das Einzige ist, dass Riesling sich auch in der Stilistik verändert: ein bisschen runder, schmerziger wird, der Alkohol vielleicht ein bisschen höher ist, obwohl der beim Riesling eigentlich immer relativ moderat ist. Riesling wird es also weiterhin geben - keine Angst.
Die Weine haben sich aufgrund des Klimawandels schon verändert - größtenteils zum positiven
i24: Sehen Sie die Existenz von Anbaugebieten und Weingütern europaweit bzw. im speziellen in Deutschland für die langfristige Zukunft gefährdet?
Konstantin Baum: In Deutschland sehe ich das nicht, dass aufgrund des Klimawandels Anbaugebiete oder Weingüter gefährdet sind. Es gibt ganz andere Gründe, warum Weingüter in Deutschland in vielen Bereichen Probleme haben, aber auch im Rest der Weinwelt.
Das sind Abstandsschwierigkeiten, das sind Probleme mit Krankheiten im Weinberg, wenn es um die Profitabilität geht. Viele Weingüter sind überhaupt nicht profitabel, wenn man die Arbeitszeit der Besitzer mal so richtig mit einberechnen würde. Von daher glaube ich, ist der Klimawandel eigentlich nicht das Hauptproblem, wenn es um die langfristige Zukunft geht.
In manchen südlichen Anbaugebieten ist es ein Problem mit der Trockenheit. In Italien gab es in den letzten Jahren damit mehrmals große Probleme. Aber es ist eher ein zusätzliches Problem, als dass es jetzt das Hauptproblem ist, das zum Ende der Existenz von Anbaugebieten und Weingütern führen wird.
i24: Könnte es für die deutschen Weinliebhaber bedeuten, dass sich die in Deutschland angebaute Weine geschmacklich durch den Klimawandel verändern werden?
Konstantin Baum: Ja, das ist definitiv so. Die Weine haben sich aufgrund des Klimawandels schon verändert. Aber wie gesagt, größtenteils zum positiven. In Deutschland gab es noch nie so viel so guten Wein. Einfach auch, weil es früher Jahre gab, wo die Trauben unreif gelesen werden mussten, weil der Sommer einfach nicht genug Sonne mitgebracht hat. Das Problem hat man heutzutage nicht mehr.
Die Weine sind dadurch reichhaltiger, intensiver und reifer. Sie zeigen vielleicht ein bisschen weniger Säure und einfach mehr Aromen, mehr Intensität und Vielfalt. Von daher hat sich das schon gewandelt über die letzten Jahrzehnte und wird sie auch weiter wandeln. Der Alkoholgehalt wird wahrscheinlich auch höher werden. Aber bisher war das eher zum positiven als zum negativen.
Vielen Dank an Konstantin Baum für das Gespräch.
Interview24 - ka / August 2024
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